Pharaon

Stand: 21.05.2020
Autor: Alexande
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Wenn auf der Schachtel ein knatschgrüner Skarabäus prunkt, ein ebenso grüner Schriftzug „Pharaon“ von dezentem Gold gerahmt und das Ganze durch einen Hieroglyphen-Kreis umgeben wird, dann haben wir es meiner Meinung nach mit einem der hübschesten Spiele-Cover des Spielejahrgangs 2019/2020 zu tun. Catch Up Games hat damit sicherlich einen Hingucker gelandet. Aber wird das im alten Ägypten angesiedelte Ressourcen-Einsatzspiel von Sylvain Lasjuilliarias und Henri Molliné diesem pompösen Schachteldesign gerecht?

Der runde, modulare Spielplan setzt sich aus fünf verschiedenen Orten zusammen, die in beliebiger Reihenfolge aneinander angelegt werden können. In der Mitte verbindet ein Rad die Spielplanteile miteinander, welches zudem die Aktionsfelder für die jeweiligen Orte parat hält. Außerdem kommen noch ein paar Auftrags- und Fähigkeitenkarten auf den Plan, ein paar Plättchen und einige Holzscheiben und Marker müssen noch auf dem Spielbrett sowie der nebenliegenden Pyramide der Zeit verteilt werden, und schon kann das Spiel beginnen.

Beginnend mit dem Spieler rechts vom Startspieler und dann gegen den Uhrzeigersinn nimmt sich jeder Spieler zwei Amtsträgerkarten, die in der Regel ein paar wenige Siegpunkte, vor allem aber Sonderfähigkeiten für das Spiel und weitere Siegpunkte in der Endwertung bieten. Davon suchen sich die Spieler jeweils eine Karte aus, der Rest wird wieder unter den Nachziehstapel gelegt. Zusätzlich darf sich jeder eine der offen ausliegenden Vasen aussuchen und die darauf abgebildeten Ressourcen an sich nehmen. Außerdem erhält er noch ein Silberplättchen, das als Joker-Ressource fungiert. Nun sind die Spieler startklar für Runde eins von insgesamt fünf.

Reihum haben die Spieler die Möglichkeit, einen der fünf Orte auf dem Spielplan zu besuchen oder zu passen und aus der laufenden Runde auszusteigen. Um einen Ort zu besuchen, müssen jeweils bestimmte Kosten bezahlt werden, wobei jeder Ort mit Zugangs- und Aktionskosten versehen ist. Die Zugangskosten werden auf dem zentralen Aktionsrad bezahlt: jedem Ort ist pro Runde eine der verschiedenen Ressourcenarten Landwirtschaft, Justiz, Bau, Königtum oder Handel zugewiesen – oder einfach grün, schwarz, gelb, rot oder blau. Um nun die Ortsaktion ausführen zu können, muss erst die Zugangs-Ressource auf ein noch freies Aktionsfeld auf dem Rad in der Mitte gelegt werden (je nach Spieleranzahl stehen drei oder vier zur Verfügung) und anschließend die Aktions-Ressourcen des besuchten Ortes beglichen werden. Dabei kann allerdings die Ressource für die Zugangskosten auf die Aktionskosten angerechnet werden, sollte die Ortsaktion genau diese Ressource benötigen. Hier gilt es also bereits gut zu schauen und auch mit den folgenden Runden zu kalkulieren, denn das Aktionsrad in der Mitte dreht sich jede Runde um ein fünftel und bindet somit jede Runde eine neue Ressourcenart als Zugangskosten an die Ortsaktion.

Die fünf Ortsaktionen gliedern sich grob in zwei verschiedene Kategorien. Entweder kann man aus seinen eingesetzten Ressourcen mehr Ressourcen machen oder diese in Punkte umtauschen. Das passiert allerdings bei jedem Ort auf seine ganz eigene Weise und mit der ein oder anderen Besonderheit.
Im Opfergabengebiet kann sich bereits für die eingesetzte Zugangs-Ressource ein Paar der offen ausliegenden Opfergabenplättchen genommen werden. Diese fungieren entweder als weitere Ressource eines Typs oder als Joker-Ressource für genau eine bestimmte Ortschaft. Anstelle einer beliebigen Ressource kann dann ein Opfergabenplättchen des Ortes eingesetzt werden. Zusätzlich gibt es auch noch Opfergabenplättchen, die einem einfach am Ende des Spiels Siegpunkte geben. Gibt man an diesem Ort zwei gleiche Ressourcen ab, bekommt man zusätzlich die Chance auf ein weiteres, offen ausliegendes Opfergabenplättchen. Klug geplant braucht man nun also nur die Zugangs-Ressource und die gleiche Ressource noch einmal zu zahlen und kommt mit drei Opfergabeplättchen aus der Aktion heraus. Es geht aber auch, dass neben der Zugangs-Ressource zwei gleiche Ressourcen gezahlt werden, die sich von dieser unterscheiden.
Im Amtsträgergebiet gibt es weitere der bereits erwähnten Amtsträgerkarten zu kaufen. Diese Karten warten mit Soforteffekten, Dauereffekten oder Effekten, die einmal pro Runde genutzt werden können, auf. Zusätzlich geben sie noch direkte Siegpunkte und/oder Siegpunkte am Ende des Spiels, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Die Möglichkeiten der Sondereffekte reichen beispielsweise von einem weiteren Aktionsfeld für den Besitzer dieser Karte bei einer bestimmten Ortsaktion, über die Fähigkeit, eine Ressourcenart für eine bestimmten andere einsetzen können, bis zum sofortigen Erhalt von weiteren Ressourcen oder Boni. Die Kosten für den Besuch dieser Ortschaft liegen aber hoch: es muss jeweils eine der fünf Standard-Ressourcen für eine Karte bezahlt werden.
Etwas günstiger kommt man hingegen im Handwerkergebiet davon. Hier müssen lediglich drei gleiche Ressourcen gezahlt werden. Dafür erhält man hier auch „nur“ eine Handwerkerkarte mit verschiedenen Ressourcen und Siegpunkten drauf. Je mehr Ressourcen, desto weniger Punkte und umgekehrt.
Im Nilgebiet tauscht man zwei vorgegebene Ressourcen ein, um auf einer daran gekoppelten Leiste ein Feld aufzusteigen und bekommt auch wieder mindestens zwei Ressourcen zurück. Insgesamt kann man so in fünf verschiedenen Leisten jeweils drei Felder aufsteigen. Je höher man am Spielende pro Leiste steht, desto mehr Punkte gibt es.
Zu guter letzt können wir noch im Grabkammergebiet an der letzten Ruhestätte arbeiten, indem wir eine angegebene Anzahl an Ressourcen bezahlen und im Ausbau eine Stufe aufsteigen. Jede Stufe ist mit einer Punktzahl versehen, die man bei Spielende für den Ausbau der Grabkammer erhält.

Alternativ zum Ausführen einer Ortsaktion darf gepasst werden. Dies kann in Pharaon als durchaus taktisches Element angesehen werden, denn nicht nur hat der erste Spieler, der aus der Runde aussteigt, die größte Auswahl an offen ausliegenden Vasen (die einem wieder Ressourcen für die nächste Runde geben), er kommt zudem mit seinem Spielermarker auf die erste Leiste der Pyramide der Zeit. Dadurch wird dieser automatisch Startspieler der nächsten Runde. Zudem darf er, immer wenn er wieder an der Reihe wäre, seinen Marker um eine Stelle auf seiner Leiste vorrücken und erhält dafür zuerst eine weitere beliebige Ressource, dann ein Silber-Plättchen als Joker und zuletzt nach Möglichkeit noch zwei mal jeweils ein Opfergabeplättchen. Je später man aus der Laufenden Runde aussteigt, desto kürzer wird die dann zugewiesene Leiste in der Pyramide und bietet daher entsprechend immer eine Möglichkeit weniger um einen Bonus zu erhalten. So kann man mit frühem Passen sehr stark in der kommenden Runde aufgestellt sein, da man bereits viele Ressourcen zur Verfügung hat.
Nachdem auch der letzte Spieler gepasst hat endet die Runde. Die Aktionsfelder werden wieder freigeräumt und das Aktionsrad um eine Position weiter gedreht, sodass die Zugangskosten pro Ortsaktion nun durch eine andere Ressourcenart zu begleichen sind.

Nach der fünften Runde endet das Spiel. Neben den bereits erwähnten Punkten durch den Ausbau der Grabkammer, den auf den Opfergabeplättchen aufgdruckten Siegpunkten und den Punkte der Leisten im Nilgebiet sowie auf den Handwerker- und Amtsträgerkarten, zählt auch noch jede übrig behaltene Ressource und jedes Opfergabeplättchen als ein Punkt (auch diese, die bereits durch aufgedruckte Siegpunkte gewertet wurden). Zusätzlich wird auch noch der Spieler, der in der letzten Runde als erster gepasst hat, mit drei Punkten belohnt. Der Spieler, der als erster während des Spiels zwei Amtsträgerkarten besaß und gleichzeitig die dritte Ausbaustufe der Grabkammer erreicht hatte, erhält weitere sieben Punkte.
Außerdem findet noch die Götter-Wertung statt. Jede Ortschaft ist durch zwei Gottheiten auf einer Säule umgeben, die jeweils zwei Siegpunktbedingungen aufweisen. Beide Bedingungen müssen erfüllt sein, damit man die jeweiligen Punkte der Gottheit erhält. Ist nur eine der Bedingungen der Gottheit erfüllt, geht man leer aus. Die Gottheiten möchten, dass man bestimmte Fortschritte während des Spiels erreicht hat (zum Beispiel dass man zwei Ausbauten an der Grabkammer vollzogen hat und drei Opfergabeplättchen gesammelt hat) und belohnen einen dann mit reichlich Punkten. Der mögliche Fortschritt jeder Ortsaktion kommt zwei mal vor, es gibt also jeweils zwei Wertungen, die sich auf den Ausbau der Grabkammer beziehen, zwei, die gesammelte Opfergabeplättchen, Handwerker- oder Amträgerkarten belohnen und zwei, die den Aufstieg in den Leisten des Nilgebiets werten. Diese werden dann – bedingt durch den modularen Aufbau des Spielbretts – jeweils unterschiedlich gepaart gewertet. Um zwei Gottheiten, die zum Beispiel Opfergabeplättchen fordern, werten zu wollen, müssen jedoch auch die addierte Summe an Opfergabeplättchen im eigenen Vorrat vorhanden sein. Alle Punkte schnell zusammenzählen, was durch beiliegenden Wertungsblock schnell und übersichtlich geht, und der Sieger der Partie steht fest.


Bei Pharaon glänzt das Thema nicht so sehr, wie das vergoldete Cover verspricht. Optisch ist das Spiel zwar super an den Grabkult der alten Ägypter angelegt, spielmechanisch ist es aber ein völlig abstraktes Spiel, was kaum thematischen Flair in den Spielzügen aufkommen lässt. Dafür glänzt es dann wieder mit seinen im Kern simplen Aktionsmöglichkeiten, die einen jeden Zug erneut vor kniffelige Entscheidungen stellen. Dabei kann es auf den Aktionsfeldern auf dem zentralen Rad durchaus sehr eng werden und die Möglichkeiten, seine Ressourcen so umzutauschen und zu vermehren, dass sie für ertragreiche Siegpunkt-Aktionen eingesetzt werden können, können daher schnell schwinden. Dann gewinnen die Amtsträgerkarten an Bedeutung, erlauben sie es doch, grundlegende Mechanismen zu umgehen oder sie im eigenen Vorteil einsetzen zu können. Es kann dann echt praktisch sein, seine blaue Ressource auch als grüne nutzen zu können oder einfach ein persönliches, weiteres Aktionsfeld an einer Ortschaft zu besitzen.
Den Kniff, den sich die Autoren Sylvain Lasjuilliarias und Henri Molliné haben einfallen lassen, dass auch das Passen zu einer taktischen Entscheidung wird, um gegebenenfalls für die folgende Runde besser aufgestellt zu sein, sorgt gerade in großen Spielerrunden von bis zu fünf Personen für viel Spielspaß. Denn für die noch aktiven Spieler stellt sich dann Frage, ob man wirklich noch weiter machen möchte. Schließlich ist das wiederum vorteilig für alle bereits ausgestiegenen Spieler.
Besonders viel Spaß machen die letzten Runden, denn dann ist es einigermaßen absehbar, wie hoch die Chancen noch stehen, um eine Götter-Wertung erfüllen zu können. Die Züge müssen dann wirklich gut optimiert werden, damit alles gut ineinander greift. Das ist sowieso die Kunst des Spiels: mit nur fünf simplen Aktionsmöglichkeiten wird eine so hohe Spieltiefe erzeugt, die sich hinter manch anderem Spiel mit dreimal so langer Regel nicht verstecken muss.
Es freut mich daher sehr, dass sich Frosted Games der deutschen Lokalisierung angenommen hat und das Spiel dann ab Mitte Juli im Vertrieb von Pegasus Spiele auf dem deutschen Markt hoffentlich noch etwas mehr Aufmerksamkeit erhält. Wie es auf den bisherigen Bildern scheint, verzichtet man allerdings leider auf die goldene Rahmung auf dem Deckel des Kartons von Catch Up Games – und damit auf einen echten Hingucker! Aber es braucht vielleicht gar nichts, um den Käufer mit Bling-Bling zu blenden, denn spielmechanisch liegt hier ein tolles, schlankes und doch verzahnt-kniffeliges Spiel vor. Es bleiben aber weiterhin für mich rote und blaue Ressourcen und nicht Landwirtschaft oder Königtum. Übrigens: eine Ein-Spieler-Variante gibt es auch noch, diese habe ich bisher aber noch nie ausprobiert.

Autor: Sylvain Lasjuilliarias & Henri Molliné
Verlag: Catch Up Games / Blackrock Games; Frosted Games / Pegasus Spiele
Erschienen: 2019 / 2020
Spieldauer: 30 bis 75 Minuten
Spieler: 1-5 Spieler, ab 12 Jahren