Stand: 18.05.2020
Autor: Marc

Wenn neue Spiele mit einem Workerplacement-Mechanismus angekündigt werden, erregen sie für gewöhnlich schnell meine Aufmerksamkeit. Dies war auch bei Nētā-Tanka der Fall. Das von Hervé Rigal entworfene Spiel kombiniert den üblichen Workerplacement-Mechanismus mit einigen nicht zu unterschätzenden Kniffen und fiel mir so direkt ins Auge.
In Nētā-Tanka agieren die Spieler als junge Anführer eines eigenen Klans und versuchen ihre Würdigkeit unter Beweis zu stellen, um als der neue Nētā-Tanka, der ehrwürdigste Älteste des Frostriver-Stammes, ernannt zu werden. Dazu haben die Spieler je nach Spieler-Anzahl eine festgelegte Anzahl an Runden. In jeder Runde platzieren die Spieler abwechselnd einen ihrer Nomaden (Arbeiter) auf einem der 18 verschiedenen Aktionsfeldern auf dem Spielbrett, welches das Stammesdorf darstellt. Je nach Aktion und in bekannter Workerplacement-Manier kann das Aktionsfeld entweder von einem einzelnen oder mehreren Nomaden besetzt werden. Die Aktionen ermöglichen den Spielern die Rohstoffe Holz, Fell, Fleisch, Pilze oder Totenschädel zu sammeln und diese in wertvolle Darbietungen für deren eigenen Klan umzuwandeln, welche auf dem eigenen Spielertableau gesammelt werden. Dabei gibt es Aktionsfelder im zentralen Bereich des Dorfes, die eine Auswahl an zwei Aktionen geben (beispielsweise entweder eine Holz-Ressource zu sammeln oder ein Holz in den Bau des eigenen Totempfahls zu investieren), oder Aktionsfelder im äußeren Bereich, die nur eine Aktionsmöglichkeit bieten.
Alles, was man also von einem typischen Workerplacement-Eurogame so erwartet. Was macht Nētā-Tanka also anders als andere Spiele des Genres?
Zum einen hängen die einzelnen Aktionen bei Nētā-Tanka stark voneinander ab, denn um bestimmte Aktionen auszuführen, muss häufig eine weitere, daran gekoppelte Aktion zuvor aktiviert worden sein. Möchte man beispielsweise durch das Aktionsfeld am Grill geräuchertes Fleisch bekommen, muss man vorher zusehen, dass durch die Gerben-Aktion Fleisch überhaupt zur Verfügung steht. Um jedoch mit der Gerben-Aktion Fleisch und Fell zu produzieren, muss vorher mit der Jagen-Aktion ein Büffel gefangen worden sein. Ebenso verhält es sich mit dem Sammeln von Holz und Pilzen, welches erst möglich ist nachdem ein Spieler mit der Holzfällen-Aktion diese Rohstoffe zur Verfügung gestellt hat. Nachdem alle Spieler abwechselnd ihre Arbeiter platziert und so ihre Aktionen für die Runde geplant haben, führt jeder Spieler der Reihe nach alle seine Aktionen auf einmal aus. Durch die Abhängigkeit der Aktionen bekommt die Spielerreihenfolge nun eine essenzielle Rolle. Möchte also der erste Spieler Holz aus dem Wald sammeln, aber die Holzfällen-Aktion wurde vom zweiten Spieler besetzt, wird der erste Spieler in dieser Runde wahrscheinlich kein Holz bekommen. Zum Glück gibt es aber dafür auch einige wenige Felder, die es den Spielern erlauben, Rohstoffe direkt aus dem Vorrat zu bekommen, anstatt sich von den verfügbaren Rohstoffen auf dem Spielbrett bedienen zu müssen.

Des Weiteren gibt es auch Besonderheiten beim Platzieren der Arbeiter. Die verschiedenen Aktionsfelder sind mit weiteren Aktionsfeldern über sogenannte Links verbunden. Schafft man es zwei seiner Nomaden auf zwei miteinander verlinkte Aktionsfelder zu platzieren, wird man mit einer zusätzlichen, auf dem Link abgebildeten Aktion belohnt, welche man sofort nach dem Platzieren des Nomaden mit einem eigenen Erinnerungsplättchen markiert. Zwei der zentralen Aktionsfelder sind, anders als bei den anderen Feldern, über eine Fußspur zu den Jagen- oder Holzfällen-Aktionen verbunden. Setzt man einen Arbeiter auf eines dieser zentralen Felder ein, so wandert der Arbeiter nach der Runde nicht wie üblich zurück in den Vorrat des Spielers, sondern entlang der Fußspur zur benachbarten Aktion und steht dem Spieler in der nächsten Runde nicht zur freien Verfügung.
Weitere besondere Aktionsfelder sind die Opfergabe und das Kanu. Mit der Aktion Opfergabe lassen sich bis zu drei Gunstpunkte, welche am Ende des Spieles Siegpunkte werden, jeweils in Rohstoffe, eine Handwerkskarte oder eine Link-Aktion umwandeln. Die Aktion am Kanu gibt einem die Auswahl von zwei Aktionen, die nach jeder Runde wechseln. Beim Spielaufbau wird dazu eine Anzahl an Kanu-Plättchen gemäß der Rundenanzahl gemischt und als verdeckter Stapel auf den Plan gelegt. Zu Beginn jeder Runde wird dann das Plättchen der Vorrunde abgelegt und die neue Aktion der aktuellen Runde aufgedeckt. Unter den verschiedenen Aktionsmöglichkeiten, welche die Kanu-Plättchen anbieten, ist auch die einzige Möglichkeit, den Startspielermarker außer der Reihe an sich zu nehmen (andernfalls erhält der im Uhrzeigersinn nächste Spieler diesen). Zudem darf der über diese Aktion bestimmte neue Startspieler in der folgenden Runde noch den Gast-Nomaden begrüßen. Dieser zusätzliche weiße Arbeiter ermöglicht dem Spieler eine weitere Aktion in der nächsten Runde und kann sogar auf ein Feld gestellt werden, welches schon von einem Mitspieler besetzt ist, was bei den meisten Aktionsfelder sonst nicht erlaubt ist.




Während des Spiels gibt es für die Spieler diverse Möglichkeiten zum Sammeln von Punkten. Einerseits können Fleisch und Pilze gekocht werden, um seinen Klan zu ernähren. Jedes ernährte Mitglied gibt dann am Ende des Spieles Punkte. Hat man die Hälfte seines Klans ernährt, können sich die Spieler sogar eine Sonderfähigkeit freischalten, die erlaubt, einmal pro Runde seinen Arbeiter auf ein bereits belegtes Aktionsfeld zu stellen. Holz und Fell können genutzt werden, um entweder Zelte aufzubauen oder Handarbeit-Gegenstände für seinen Klan zu erstellen. Punkte bekommt man am Schluss für eine ununterbrochene Reihe von aufgebauten Zelten und für jede erfüllte Handarbeitskarte. Hier kommt auch noch ein Set-Collection zum Tragen, denn es gibt noch Zusatzpunkte für jedes Set von unterschiedlichen Handarbeit-Gegenständen. Der Bau des Totempfahls, welcher aus Holz und Schädeln besteht, gibt den Spielern mehr als nur eine Gelegenheit, am Ende des Spieles Punkte zu sammeln. Die Spieler erhalten nicht nur Punkte für jede Kombination aus zwei Holz- und einer Schädel-Ressource im Totempfahl, sondern auch Extrapunkte für den Bau des höchsten Totempfahls aller Spieler. Die für die Höhe des Totempfahls verdienten Punkte werden während des Spiels auf dem Totempfahlbrett festgehalten. Nur mit einem Totempfahl, der die Höhe eines anderen Spielers übertrifft, kann dessen Stelle auf der Totempfahl-Leiste übernommen werden. Als letzte Möglichkeit besitzt jeder Spieler noch eine eigene, geheime Zielkarte, die der Spieler erfüllen kann, um weitere Punkte zu erlangen. Wer dann die meisten Punkte sammeln konnte hat sich als Nachfolge des Nētā-Tankas würdig erwiesen!
Auf den ersten Blick überrascht Nētā-Tanka mit nicht viel Neuem: Man sammelt Rohstoffe und wandelt diese in Punkte um. Mit dem simplen Kniff, bestimmte Aktionen voneinander abhängig zu gestalten und seine Aktionen nicht abwechselnd, sondern alle auf einmal ausführen zu müssen, sorgt Hervé Rigal aber für ein neues Spielgefühl, welches zu vielen wichtigen Entscheidungsmomenten führt. Geht man das Risiko ein und stellt seinen Arbeiter auf die Gerben-Aktion und hofft, dass ein weiterer Spieler die Jagen-Aktion besetzt? Wird dieser Spieler überhaupt vor einem dran sein? Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass man sich nicht immer auf die Mithilfe der Mitspieler verlassen sollte … Auch die Verlinkungen der Aktionen sorgen für viel Interaktion. Verzichtet man doch auf die optimale Aktions-Kombi, nur um zu verhindern, dass der Mitspieler keine Boni durch verlinkte Aktionen bekommt?
Für Variation sorgt das doppelseitige Spielbrett. Während sich die Sommer-Seite des Plans an die Einsteiger des Spiels richtet, können erfahrene Spieler sich auf der Winter-Seite beweisen. So wie es den meisten Workerplacement-Spielen ergeht, spielt sich Nētā-Tanka natürlich am besten bei höherer Spielerzahl. Die Zwei-Spieler-Variante, bei dem die Spieler Figuren von zwei Farben einsetzen, funktioniert aber auch sehr gut. Durch die einfachen Regeln und schöne Illustration, eignet sich Nētā-Tanka – vor allem mit der Sommer-Seite des Spielplans – sehr gut für Familien. Kennerspieler sollten sich aber definitiv nicht von einer Partie scheuen! Einmal auf die Winter-Seite gewendet, muss man doch schon dreimal Nachdenken wo man seine nötigen Ressourcen herbekommt, denn die Links geben einem dort nun nicht immer die für die verlinkte Aktion passende Ressource, wie auf der Sommer-Seite.

Autor: Hervé Rigal
Verlag: La Boîte de Jeu / Blackrock Games
Erschienen: 2019
Spieldauer: 90 Minuten
Spieler: 1-4 Spieler, ab 14 Jahren