Stand: 06.10.2017
Autor: Alexander
Mit 13 Tage – Die Kubakrise 1962 ist das erste Spiel mit direktem Geschichtsbezug in meine Sammlung eingezogen. Kein leichter Stoff, will man doch aus dem Konflikt herauskommen, ohne einen Atomkrieg begonnen zu haben und trotzdem dabei noch sein Gesicht wahren. Genau diese Anspannung greift die diesjährige Neuheit von Frosted Games perfekt auf und vereint sie in eleganter Weise in einem kartengesteuerten Mehrheitenspiel für zwei Personen.
In dem über drei reguläre Runden andauernden Spiel verkörpert jeder Spieler einen der zwei politischen Gegner, entweder die UdSSR oder die USA. Nun gilt es, möglichst viel Ansehen über den Spielverlauf zu erlangen, ohne dabei den Bogen zu überspannen und dadurch einen Atomkrieg heraufzubeschwören. In jeder der drei Spielrunden erhalten die Spieler jeweils drei Agendakarten. Diese geben mögliche Rundenziele vor, die am Ende der Runde gewertet werden. Die Agenden nehmen dabei Bezug auf verschiedene Bereiche des Spielbretts. Entweder werden bestimmte Gebiete gewertet oder aber die drei Verteidigungsbereitschaftzustände (DEFCON) des Militärs, der Politik oder der öffentlichen Meinung. Während in den Gebieten der Spieler gewinnt, der den größten Einfluss in Form vom Einflusssteinen inne hat, hat auf den DEFCON-Skalen der Spieler die Oberhand, welcher höher auf der jeweiligen Leiste platziert ist.
Die Agenden der erhaltenen drei Agendakarten werden mit Hilfe der Agendamarker der Spieler auf dem Spielbrett markiert, sodass insgesamt bis zu sechs Agenden als mögliche Rundenziele ausgewiesen sind. Anschließend sucht sich jeder Spieler allerdings nur eine dieser drei Karten aus und bestimmt dadurch eine der zwei Agenden, die am Rundenende wirklich nur gewertet werden. Dabei treffen die Ziele für beide Spieler zu, sodass um die jeweiligen Strategien der Spieler taktisch geblufft wird, um nicht zu offensichtliche Entscheidungen zu fällen und somit den Gegenspieler womöglich auf die eigene Strategie aufmerksam zu machen.
Anschließend erhält jeder Spieler fünf Strategiekarten ausgeteilt. Das 39 Karten starke Deck besteht dabei jeweils aus 13 Karten der USA und UdSSR sowie 13 der Vereinten Nationen. Von den fünf Karten spielt jeder Spieler vier in einer Runde aus. Dabei kann er die Karten der Vereinten Nationen und die seiner politischen Macht ohne Bedenken ausspielen und sich aussuchen, ob er die Karte zum Befehligen nutzt, um damit seinen Einfluss auf eines der neun Gebiete auf dem Spielbrett zu verändern, oder aber ob er das Kartenereignis ausspielen will. Es gibt jeweils drei Gebiete, die zu einem der drei Bereiche Militär, Politik oder öffentiche Meinung zählen.
Beim Befehligen gibt jede Karte ein Maximum an zu platzierenden beziehungsweise zu entfernenden Einflusssteinen vor. Der Spieler kann sich entscheiden, ob er dieses voll ausnutzt oder aber weniger Steine in ein Gebiet legt oder aus ihm herausnimmt. Dabei ist zu beachten, dass jedes Gebiet entweder dem Militär, der Politik oder der öffentlichen Meinung zugeordnet ist und das Platzieren und Entnehmen von Einfluss in diesen Bereichen die dazugehörige DEFCON-Skala beeinflusst. Denn ab dem zweiten Einflussstein, der durch diese Aktion in einem Gebiet platziert oder entnommen wird, rückt der Spieler in der dazugehörigen Skala um je ein Feld vor beziehungsweise zurück. Daher kann es sinnvoll sein, wenn man als Rundenwertung die passende DEFCON-Skala ausgewählt hat (oder meint, der Gegenspieler hat dies getan), in einem Bereich weit in Führung zu ziehen. Allerdings ist es nicht immer erstrebenswert, in den Skalen weit oben zu sein, denn sobald sich ein Spieler am Ende einer Runde in einer Skala im oberen DEFCON 1-Bereich oder aber mit allen drei Markern im DEFCON 2-Bereich befindet, hat er einen Atomkrieg ausgelöst und damit das Spiel verloren. Somit wird auch das Entfernen von Steinen quasi zur Pflicht, um die ganze Situation wieder etwas zu entspannen.
Alternativ kann er das Ereignis auf der Karte ausführen. Diese bieten Möglichkeiten, Steine einzusetzen, teils ohne die DEFCON-Skalen verschärfen zu müssen, Steine (eigene oder die des Gegners) aus umkämpften Gebieten zu entfernen oder aber die DEFCON-Skalen direkt zu beeinflussen. Ebenfalls finden sich einige direkt-interaktive Ereignisse unter den Karten wieder, wodurch zum Beispiel dem Gegenspieler in der laufenden Runde immer ein Stein weniger bei der Befehligen-Aktion zur Verfügung steht, als die ausgespielte Karte eigentlich erlauben würde.
Beim Ausspielen einer Karte der Gegenfraktion steht das Ereignis der Karte dem aktiven Spieler allerdings nicht zur Verfügung, sondern der Gegner darf diese Aktion ausführen, bevor der aktive Spiele dann die Befehligen-Aktion der Karte nutzen kann. Durch diesen besonderen Kniff bekommt das Ausspielen der Karten eine weitere taktische Komponente, denn das Ermöglichen einer Zusatzaktion für den Gegner muss genauestens abgewogen und getimed werden. Nicht selten wird der Spieler dadurch gezwungen, sich zwischen dem einen oder dem anderen Übel entscheiden zu müssen, denn auch die fünfte Karte, die zwar in der Runde nicht aktiv ausgespielt wird, ist trotzdem nicht ohne Effekt aus dem Spiel. Sie wird als letzter Zug in der Runde auf den Stapel der Nachwirkungen gelegt. Solle nach drei Runden kein Atomkrieg ausgebrochen sein, wird – zusätzlich zur regulären Rundenwertung – noch der Stapel der Nachwirkungen ausgewertet. Dabei werden nur Einflussstein-Symbole der Karten der USA und der UdSSR betrachtet; welche Fraktion hier die meisten vorweisen kann, erhält zusätzlich zwei Ansehenspunkte.
Nachdem alle Karten ausgespielt wurden, findet die Rundenwertung satt; zuerst werden die Gebiete der öffentlichen Meinung ausgewertet. Wer hier den höheren Einfluss besitzt, bekommt Boni. Wer über das Fernsehen herrscht, kann den Stand einer seiner DEFCON-Skalen um einen Schritt erhöhen oder senken; wer die Mehrheit in den Bündnissen besitzt, darf eine weitere Strategiekarte ziehen und diese gegebenenfalls den Nachwirkungen hinzufügen. Wer hingen mehr Einfluss auf die Vereinten Nationen hat, bekommt den persönlichen Brief ausgehändigt. Dieser ermöglicht es, beim Ausspielen einer Strategiekarte zum Befehligen das Limit der möglichen Einflusssteine um eins zu erhöhen. Danach wird der Brief allerdings an den Gegenspieler weitergegeben, der ihn dann ebenfalls nutzen kann, solange er in dessen Besitz ist. Am Ende des Spiel fungiert der Brief zusätzlich als Tie-Braker.
Anschließend werden die Agendakarten ausgewertet, die am Anfang der Runde ausgewählt wurde. Wurde dabei ein Gebiet auf dem Spielplan gewählt, zählt auch hier wieder die Mehrheit der Einflusssteine. Dabei gibt es für jeden Stein, den der Gewinner mehr in dem Bereich platziert hat, jeweils einen Ansehenspunkt. Zusätzlich wird dieser Wert modifiziert, je nach dem um welchen Bereich es sich handelt. Bei Wertung der Türkei ändert sich nichts, für Berlin und Italien erhält der Spieler einen zusätzlichen Ansehenspunkt. Die drei Bereiche Atlantik, Kuba (politisch) und Kuba (militärisch) hingegen sind verbundene Gebiete. Zu den Punkten für die Überzahl an Einflusssteinen erhält der Spieler zusätzlich einen Punkt Ansehen für die anderen Gebiete, sofern er dort auch die Mehrheit besitzt. So kann er hier also null bis zwei zusätzliche Punkte erhalten. Eine Agendakarte wertet den Besitz des persönlichen Briefs. Der Spieler, der diesen zur Wertung vor sich liegen hat, erhält zwei Ansehenspunkte dafür.
Wird hingegen eine der DEFCON-Skalen gewertet, werden zuerst die Marker um jeweils einen Schritt auf der zu wertenden Skala hochgeschoben, sofern sie sich im DEFCON 2-Bereich befinden, und die Situation damit verschärft. Danach erhält der Spieler, der weiter vorne auf der Skala steht, Ansehenspunkte gemäß seines Vorsprungs plus eins. Alle erhaltenen Ansehenspunkte werden gegeneinander aufgerechnet und dann auf der Ansehensleiste abgetragen.
Wenn jetzt keiner der Spieler die Bedingungen für einen Atomkrieg erfüllt, wird die nächste Runde gespielt – und gleich zu Beginn der neuen Runde werden alle Marker auf den DEFCON-Skalen um ein Feld erhöht (was auch schon zu Beginn der ersten Runde stattfindet). Sollte es die dritte Runde gewesen sein, werden noch die Nachwirkungen ausgewertet und die zwei Punkte verrechnet. Wer danach mit dem höchsten Ansehen aus dem Spiel gegangen ist, ist Gewinner.
Die Anspannung, die wohl damals während der heißen Tage der Kubakrise vorherrschte, transportiert dieses Spiel von Daniel Skjold Pedersen und Asger Harding Granerud erstaunlich gut auf die zwei Spieler. Die dauernde Bedrohung durch den Atomkrieg, hier symbolisiert durch die DEFCON-Skalen, lässt jeden Zug genauestens geplant sein. Dabei darf allerdings die eigne Strategie nicht zu plakativ verfolgt werden, damit der Gegner nicht ebenfalls auf diesen Zug aufspringt. Auch der Kartenmechanismus, der die Spieler zwingt, Sonderaktionen für den Gegner zu ermöglichen, bietet viel Raum für taktische Überlegungen und auch für große Fehlentscheidungen, wenn auch nur eine Kleinigkeit nicht beachtet wurde. Mit jedem Zug kann also die eigene Strategie gesprengt werden. Diese Anspannung lässt die Spieler jede Runde mit viel Spannung und Freude die gewählten Agendakarten aufdecken, um den Ausgang der Runde zu besiegeln.
Schön ist auch, dass die 13 Tage im Spieldesign wiederkehren. Insgesamt spielt jeder Spieler in den drei Runden zwölf Karten – die zwölf Tage symbolisieren – aus, der dreizehnte Tag wird durch die Nachwirkungen abgedeckt. Zusätzlich gibt die Regel auch einen geschichtlichen Abriss der Kubakrise wieder und ordnet alle im Spiel befindlichen Karten auch thematisch ein. Das ist zwar für das Spiel natürlich nicht maßgeblich, steigert aber das Gefühl, wirklich wichtige Entscheidungen zu treffen.
Diese Punkte legitimieren das Thema des Spiels komplett. Nichts anderes hätte wohl so gut die innere Anspannung eines jeden Spielzuges transportieren können, wie der nahende Atomkrieg im Nacken. Wer sich von dem Thema eigentlich erst einmal abgeschreckt fühlt, sollte auf jeden Fall trotzdem eine Probepartie spielen, bevor das Spiel womöglich einfach zur Seite gelegt wird. Die Spielmechanik ist wirklich gut und das Gesamtpaket überzeugt von vorne bis hinten.
Autoren: Daniel Skjold Pedersen und Asger Harding Granerud
Verlag: Frosted Games
Erschienen: 2017
Spieldauer: ca. 45 Minuten
Spieler: 2 Spieler, ab 12 Jahren
Vielen Dank an Frosted Games für die Unterstützung.