Weltausstellung 1893

Stand: 29.09.2017
Autor: Alexander

P1130994 (2)DLP  Games hatte mich auf der Messe in Essen im letzten Jahr in dem Moment gefangen, als ich dort ein Riesenrad gesehen habe. Als Freizeitparkfan musste ich mir das natürlich genauer anschauen. Gut, schnell stellte sich Ernüchterung ein: es geht gar nicht um Freizeitparks, sondern um die Expo – und dann auch noch vor mehr als 100 Jahren. Doch ich gab Weltausstellung 1893 eine Chance und nach einer Probepartie stand für mich fest: dieses flotte und zudem schmucke Spiel soll den Weg in meine Sammlung finden.

Im Kern ist Weltausstellung 1893 ein Area Control Spiel, das mit einem Set-Sammel-Mechanismus gekreuzt ist. Das ist gewiss nichts bahnbrechend Neues, das stimmt, trotzdem hat mich diese elegante Umsetzung mehr überzeugt als andere Vertreter in diesem Bereich. Das um ein Riesenrad in der Mitte herum variabel aufzubauende Spielbrett bietet fünf verschiedene Bereiche, in denen die Spieler die Mehrheit mit ihren Unterstützern erlangen wollen. Jeder Bereich ist klar farbcodiert und beschäftigt sich – thematisch gesehen – mit einem Bereich der Errungenschaften der Zeit. Grau repräsentiert die Fertigung , Blau und Grün Errungenschaften im Bereich des Verkehrs und der Landwirtschaft, Gelb steht für den Bereich der Elektrizität und Rot für die Schönen Künste. In seinem Zug legt der Spieler zuerst einen seiner Unterstützer, ein kleines Farbklötzchen in Spielerfarbe, in einen der fünf Bereiche. Im Anschluss daran kann er sich alle die an diesem Bereich ausliegenden Karten nehmen, von denen es insgesamt drei verschiedene Arten gibt. Zum einen wären da die sogenannten Exponate, jeweils zugehörig zu einem der fünf Bereiche. Diese werden über den Verlauf einer Runde gesammelt um in der Wertungsphase gegebenenfalls zu Punkte gemacht zu werden.
Das Rundenende wird durch die zweite Kartenart bestimmt, die sogenannten Midway-Tickets. Auch diese werden über den Rundenverlauf gesammelt, bringen aber auf jeden Fall Punkte ein. Für jedes aufgenommene Midway-Ticket wird zudem die Fahrgastkabine des Riesenrades in der Mitte des Spielplans um eine Stelle vorgesetzt. Wenn die Kabine einmal eine ganze Runde vollzogen hat, endet eine Runde und es kommt zu einer Zwischenwertung.
Die dritte Kartenart sind einflussreiche Persönlichkeiten. Diese entsprechen Sonderaktionen, die der Spieler in seinem nächsten Zug (und nur dann) einsetzten kann. Sie erlauben entweder das Platzieren eines weiteren Unterstützers in einem vorgegebenen Bereich des Spielplans, das Platzieren eines weiteren Unterstützers in dem Feld, das man als Hauptaktion wählt oder aber in einem zu diesem benachbarten Feld. Als vierte Option erlaubt es eine Karte, einen bereits auf dem Spielplan befindlichen Stein in einen anderen Bereich zu verschieben. Dabei kann dies auch ein Stein eines Gegners sein.
Nachdem der Zug durchgeführt ist, kommen neue Karten ins Spiel. Beginnend mit dem Bereich, in den gerade ein Unterstützer platziert wurde, wird im Uhrzeigersinn jeweils eine Karte an die Bereiche angelegt, die noch Platz für Karten haben. Rot und Gelb können dabei maximal je drei Karten lagern, die anderen Bereiche jeweils vier. Danach ist der in Spielerreihenfolge nächster Spieler am Zug.

Ist die Gondel des Riesenrads wieder unten angekommen, findet eine Zwischenwertung statt. Zuerst werden die Midway-Tickets gewertet; der Spieler mit den meisten gesammelten Ticktes bekommt zwei Punkte, für den zweiten Platz gibt es einen Punkt. Bei Gleichstand erhalten alle Beteiligten die Punkte. Zudem wird jedes gesammelte Midway-Ticket in einen Punkt umgetauscht.
Als zweites folgt die Wertung der einzelnen Bereiche. Dabei wird geschaut, wer jeweils die meisten Unterstützer in einem Bereich platzieren konnte. Hier bekommt der oder bekommen die Spieler mit den meisten Klötzchen in dem Bereich die meisten Punkte.; die Punktzahl variiert dabei je nach Spielerzahl. Gegebenenfalls werden im Spiel mit drei oder vier Spielern auch noch Punkte für einen zweiten Platz ausgeschüttet, wenn es nur einen einzelnen ersten Platz gab. Zudem haben die Spieler, die hier nun Punkten konnten die Möglichkeit, ihre gesammelten Exponat-Karten einzutauschen in Genehmigungsmarker. Dabei können je nach Ausgang der Auswertung von den Spielern ein bis drei der Exponate in der Farbe des soeben gewerteten Bereichs eingetauscht werden, wobei natürlich die besser platzierten Spieler mehr eintauschen dürfen. Denn: Erst diese Plättchen bringen am Ende des Spiels Punkte. Bloße Exponat-Karten sind gar nichts wert und sind nur bei einem Gleichstand am Ende spielentscheidend. Ziel ist es, ein möglichst buntes Set an Genehmigungsmarkern zu sammeln. Ein einzelner Marker gibt nur einen Punkt, ein Set aus allen fünf Farben hingegen ganze 15 Punkte. Diese Abrechnung findet nach der dritten Zwischenwertung als Spielende statt. Der Spieler mit den meisten Punkten hat dann das Spiel gewonnen.


Autor J. Alex Kevern hat das (Riesen)Rad mit diesem Spiel bestimmt nicht neu erfunden, muss er ja aber auch gar nicht. Vielmehr hat er den Ansatz anderer vergleichbarer Spiele entschlackt und in eine ansprechende Form gegossen. Das Sammeln auf verschiedenen Ebenen und die Mehrheitenwertungen greifen nahtlos ineinander über und lassen das Spiel zügig vonstattengehen. So schnell, dass man manchmal gar nicht mehr mit dem Nachlegen der Karten voran kommt – das ist auch schon gefühlt das Lästigste an dem Spiel.
Wenn man sich die Aufmachung des Spiels allerdings mal genauer ansieht, lädt das ganze eigentlich auch zum Verweilen ein. Nahezu jede Karte ist einzigartig: Jede Exponat-Karte hat ihr eigenes Exponat darauf abgebildet und dazu eine kurze Erläuterung. Genauso geben die Midway-Tickets Einblicke in die damaligen Unterhaltungsattraktionen der Messe und auch die einflussreichen Personen sind namentlich und mit einem Kurzabriss zur Person erwähnt. Das ist einfach toll! Das komplett abstrakte Spielprinzip wird durch diese Masse an Flavor Text und Gimmiks enorm aufgewertet und genau das trägt zu dem Flair des Spiels bei. Auch wenn die eigene Rolle in der Spielgeschichte nicht unbedingt sofort ersichtlich ist – man spielt einen Organisator, der bis zum Beginn der Expo größtmöglichen Ruhm erlangen will, indem er den Zuspruch berühmter Personen erhält und sich wertvolle Exponate für seine Ausstellung sichert – , so transportiert das Design ein gute Stimmung. Mein Tipp: einfach mal ’nen Gang runter schalten und sich auch mal die Karten bewusst anschauen. Es lohnt sich.
Zur Verwirrung bei Neulingen führen bei dem Spiel die zwei unterschiedlichen Arten von Punkte-Plättchen. Einmal gibt es Münzen und einmal Führungsmedallien. Letztere werden laut Regel nur bei der Bereichswertung ausgegeben, haben darüber hinaus aber keine weitere Bedeutung. Sie sind genauso viel Wert wie die Münzen und führen auch zu keinem anderen Bonus. Schade eigentlich, denn das hätte gut als Tie-Braker fungiert: Derjenige, der am häufigsten einen Bereich für sich beanspruchen konnte, hätte bei einem Gleichstand gewonnen. Aber das ist sowieso ja nur ein mal in vielen Partien ausschlaggebend. Aber ich werde das Spiel so lange spielen, bis es einmal dazu kommt…
P1130999 (3)Autor: J. Alex Kevern
Verlag: DLP Games
Erschienen: 2016
Spieldauer: ca. 40 Minuten
Spieler: 2-4 Spieler, ab 10 Jahren