Stand: 25.08.2017
Autor: Alexander
Zu den besten kleinen Spielen in den letzten Jahren zählt für mich ganz klar Love Letter. Es so simpel in der Spielmechanik und gleichzeitig verbindet es viele taktische Überlegung mit Mechanismen wie Memory, Deduktion, Stich und Bluffen. Und das alles nur, um das Herz der Prinzessin zu Gewinnen. Frauen…
Jeder Spieler erhält eine Karte, eine weitere wird ungesehen Beiseite gelegt und der Startspieler zieht ein zweite Karte. Nun muss dieser eine der beiden Karten offen vor sich ausspielen und die Aktion der Karte, welche jeweils im Kartentext erklärt wird, ausführen. Sein Zug ist danach beendet, der in Spielerreihenfolge nächste Spieler zieht eine zweite Karte und macht selbiges. Das sind die ganzen Regeln, die aus dem kleinen Karton mit seinen insgesamt 16 Aktionskarten, vier Übersichtskarten und einer Hand voll Holzherzen ein komplettes Spiel machen. Ziel ist es, entweder alle anderen Spieler mit Hilfe der Kartenaktionen aus der laufenden Runde ausscheiden zu lassen oder aber am Ende einer Runde – wenn der Nachziehstapel aufgebraucht ist – die Karte mit dem höchsten nummerischen Wert auf der Hand zu haben. Der Sieger erhält in beiden Fällen ein Holzherz; der erste, der eine gewisse Anzahl dieser Herzen gesammelt hat, hat das Spiel gewonnen.
Der Kniff bei dem Ganzen liegt dabei natürlich in den Aktionen der verschiedenen Karten. Davon gibt es insgesamt acht verschiedene: Die Wächterin mit dem Kartenwert (1) kommt fünf mal und damit mit Abstand am häufigsten in dem Kartendeck vor. Sie ermöglich es beim Ausspielen die Handkarte eines anderen Spielers zu erraten, wobei die Wahl dabei nicht auf die Wächterin fallen darf. Jeweils zwei mal im Spiel sind der Priester (2), der Baron (3), die Zofe (4) und der Prinz (5). Der Priester erlaubt es, die Handkarte eines Mitspielers anzusehen; mit dem Baron wird die eigene Handkarte mit der eines beliebigen Mitspielers verglichen, wobei die Karte mit niedrigerem Wert ausscheidet. Die Zofe schützt den Spieler eine Runde vor sämtlichen Interaktionen und Angriffen; der Prinz zwingt einen anderen Spieler, seine Handkarte abzulegen und eine neue zu ziehen. Die Karten König (6), Gräfin (7) und Prinzessin (8) kommen jeweils nur noch einmal im Spiel vor. Der König bewirkt, die eigene Handkarte mit der eines Mitspielers zu tauschen; die Gräfin muss ausgespielt werden, wenn man zusätzlich einen Prinzen oder den König auf der Hand hat, kann aber auch einfach so abgelegt werden. Die höchste Karte, die Prinzessin, hat hingegen eine verheerende Kartenaktion: Wird man gezwungen, die Karte abzulegen (oder macht dies aus unerklärlichen Gründen freiwillig), scheidet man sofort aus dem Spiel aus. Schafft man es allerdings mit der Prinzessin in der Hand bis zum Rundenende, geht man als sicherer Gewinner aus der Partie.
Diese 16 Aktionskarten sind auf ein Spiel von drei bis vier Spieler ausgelegt und haben es bereits in sich. So einfach alles auf den ersten Blick erscheint, so wohl überlegt sollte jeder Tausch einer Karte, jeder Kartenvergleich und auch jede zusätzliche Information aufgenommen und berücksichtigt werden, denn auch nur ein Fehler kann sehr schnell das Ausscheiden aus der Runde bedeuten. Manchmal reicht aber auch nur ein kleines Quäntchen Glück (oder respektive Pech), um zum Beispiel die Handkarte eines Mitspielers direkt im ersten Zug zu erraten. Dumm gelaufen – ja -, aber eine Runde ist so schnell zu Ende gespielt und für die bereits ausgeschiedenen Spieler trotzdem noch spaßig zu verfolgen, dass das die Stimmung nicht trübt.
Bei zwei Spielern werden zusätzlich zu Beginn noch drei weitere Karten aufgedeckt, sodass eine etwas taktischere Ausgangslage für das Spielpaar entsteht. Gespielt wird hier bis ein Spieler fünf erfolgreich eroberte Herzen vor sich liegen hat. Zu dritt benötigt man nur vier Herzen und zu viert nur drei.
Der Erfolg des Micro-Games des Japaners Seiji Kanai hat den Verlag Pegasus Spiele schnell thematische Abwandlungen auf den Markt bringen lassen, wobei die Kartenaktion unberührt blieben. Aber es wurde auch erkannt, dass das Spiel Potential für größere Gruppen birgt. So hat Pegasus mit der Spielvariante Big Love Letter eine Möglichkeit präsentiert, mit zwei Spielen spielerisch ausgewogene Kartendecks für fünf, sechs, sieben oder acht Spieler zusammenzustellen. Hier wird das Spiel über insgesamt acht Runden gespielt und der Spieler, der die meisten Herzen erobern konnte, gewinnt.
Erst in diesem Sommer, vier Jahre nach Erscheinen des Grundspiels, kam aber die erste richtige Erweiterung zu dem Spiel heraus – mit dem kreativen Namen Erweiterung. Diese richtet sich laut Beschreibung gezielt an fünf bis acht Spieler und bietet 16 neue Aktionskarten, die mit ihren neuen Möglichkeiten noch mehr Interaktion und Angriffsmöglichkeiten in Spiel bringen, aber auch neue Wege, Herzen zu erhalten, auch wenn man nicht die Runde gewinnt.
Die die Spielvorbereitung und der Ablauf bleiben gleich, nur dass jetzt 32 Karten gemischt werden. Zusätzlich zu den Karten aus dem Basisspiel kommen einige Karten mit samt ihrer Funktionen hinzu. So zum Beispiel jeweils einmal der Hofnarr und der Assassine mit dem Kartenwert (0). Ersterer erlaubt es beim Ausspielen, einen Tipp auf den Gewinner dieser Runde zu machen. Dazu wird eine zusätzliche Karte vor eben diesem möglichen Gewinner platziert. Sollte er Schlussendlich wirklich gewinnen, bekommt der Hofnarr ebenfalls ein Herz. Der Assassine ermöglicht einen Gegenangriff, sollte man im Visier der Wächterin oder des Wächters sein. Hier scheidet einfach die angreifende Person aus dem Spiel aus. Besagter Wächter (1) kommt drei mal im Spiel vor und ist in der Aktion identisch mit der Wächterin. Die Aktion an sich wurde aber in der Erweiterung etwas modifiziert: jetzt muss man nicht mehr die Handkarte des Mitspielers erraten, sondern es reicht, den Kartenwert zu benennen. Dies ist eine logische Abwandlung der Standardregel, da nun fast alle Karten doppelt im Spiel mit jeweils einem anderen Kartennamen vorkommen. Der Kardinal (2) ermöglich es, zwei Mitspieler die Handkarten tauschen zu lassen und sich selbst eine davon anzusehen. Er kommt zwei mal im Spiel vor, genauso wie auch die Baroness (3), der Schmeichler (4) und der Graf (5). Mit der Baroness kann nun die Handkarte von einem, aber auch von zwei Spielern angesehen werden, während mit dem Ausspielen des Schmeichlers eine Person bestimmt wird, welche die nächste Interaktion auf jeden Fall treffen muss. Der Graf erhöht am Rundenende den Wert der verbliebenen Handkarte um eins, sollte er in der eigenen Auslage liegen. Jeweils einmal im Spiel sind der Marschall (6), die Königswitwe (7) und der Bischof (9). Hat man den Marschall ausgespielt und scheidet in der laufenden Runde aus, erhält man durch diesen trotzdem ein Herz. Die Königswitwe greift die Aktion des Barons aus dem Grundspiel auf, jetzt scheidet beim Vergleich allerdings die höhere Karte aus dem Spiel aus. Der Bischof mit dem Kartenwert (9) ist zwar jetzt die Karte mit dem höchsten Wert im Spiel, verliert aber am Ende der Runde bei einem Vergleich der Handkarten gegen die Prinzessin. Zusätzlich kann dieser, ähnlich wie die Wächterin oder der Wächter, den Wert einer Handkarte eines Mitspielers erraten. Liegt er richtig, erhält der Bischof dafür ein Herz, der Mitspieler scheidet allerdings auch nicht aus und zieht einfach eine neue Karte.
Love Letter macht Spaß und ist für viele Runden ein perfekter Absacker. Die Züge gehen ruck zuck und trotzdem passiert unter Umständen einiges an Veränderung in der Runde, welche immer im eigenen Zug mitbedacht werden sollte. Die Spielvariante Big Love Letter funktioniert gut, ja, ein zweites Grundspiel würde ich dafür aber nicht mehr kaufen, denn die neue Erweiterung hebt das Ganze noch auf eine komplett andere Ebene. Einige der neuen Kartenaktionen bringen komplett neue Mechaniken ins Spiel, so zum Beispiel die Wette oder aber die Aufbesserung der eigenen Handkarte im finalen Vergleich am Rundenende. Durch die Möglichkeiten, während der laufenden Runde bereits Herzen zu erhalten oder auch, obwohl mal selbst nicht gewinnt, spielt sich das Spiel in großen Gruppen auch deutlich kurzweiliger.
Die Regeln der Erweiterung sehen vor, dass die neuen Karten nur ins Spiel kommen, wenn auch noch fünf oder mehr Spieler im Spiel sind. Sollten nur noch vier Spieler oder weniger in einer Runde teilnehmen, soll nur auf die Karten des Basisspiels zurückgegriffen werden. Das finde ich persönlich etwas schade, da auch die neuen Karten der Erweiterung – bis auf den Kardinal (2) und den Schmeichler (4) – spielmechanisch betrachtet mit bis zu zwei Spielern funktionieren. Ich würde daher nur dazu Raten, diese besagten Karten auszusortieren. Dadurch werden die Runden zwar etwas länger, aber meiner Meinung nach auch interessanter.
Das Material ist durchweg schön. Klar, für die notwendigen Karten scheinen die Verpackungen überdimensioniert, aber das sind ja auch die Karten selbst. Übergroß und auf einem stabilen Karton gedruckt sind die Karten einfach ein optischer und haptischer Leckerbissen und strahlen mit ihren Illustrationen auch einen gewissen Flair aus. Auch die wertigen Holzherzen tragen dazu bei.
Wer also auf der Suche nach einem schnellen Spiel für bis zu acht Spieler ist, das trotz eines simplen Regelwerks taktische Tiefe bietet und quasi direkt losgespielt werden kann, zieht mit Love Letter und der Erweiterung ein ganz gutes Los. Sollte Love Letter noch nicht in der Spielesammlung vorhanden sein, bietet es sich auch an, direkt die Love Letter Big Box anzuschaffen, die Grundspiel und Erweiterung in einem kombiniert.
Autor: Seiji Kanai
Verlag: Pegasus
Erschienen: 2013/2017
Spieldauer: 20 Minuten
Spieler: 2-4/2-8 Spieler, ab 8 Jahren